Business Coaching
In den Leitlinien des Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (DBVC) wird Coaching folgendermaßen definiert:
„Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führung- und Steuerungsfunktion und von Experten in Organisationen.“
Dabei ist „Coaching (ist) prinzipiell theorie- und methodenplural, damit individuelle, interaktionale und systematische Phänomene in unterschiedlichen Kontexten erfasst und bearbeitet werden können.“
Im folgenden werde ich zeigen, dass psychodynamisches Coaching in ganz besonderer Weise geeignet ist, die individuellen Aspekte von Coaching mit einem spezifischen Verständnis von Organisationsprozessen zu verbinden und zu einem tieferen Verständnis von Konflikten in Unternehmen beitragen kann.
Psychodynamisches Coaching
Coaches werden in der Regel gerufen, wenn einzelne Führungskräfte oder Unternehmen Unterstützung bei ihren Managementaufgaben benötigen.
Immer wieder handelt es sich um schwierige Changeprozesse, Organisationsfragen, Kommunikationsprobleme, Teamkonflikte oder Konflikte mit neuen Führungskräften oder neuen Führungsaufgaben.
In der Regel haben viele Unternehmen schon eine Reihe von internen Problemlösungen versucht, merken jedoch, dass externe Unterstützung möglicherweise hilfreich sein kann.
Psychodynamische Ansätze sind besonders dann hilfreich, wenn Führungskräfte, Personalabteilungen und Geschäftsführungen erkennen müssen, dass sich Konflikte wiederholen, zahlreiche Lösungsversuche gescheitert sind oder einzelne Mitarbeiter oder Führungskräfte, trotz fachlicher Qualifikation, im Unternehmen immer wieder an bestimmten Stellen scheitern.
Hier bieten psychodynamische Ansätze eine zusätzliche Ebene durch vertiefte Problemanalyse mit tieferer Einsicht in, auf den ersten Blick nicht erkennbare Konflikte. Man könnte auch sagen: psychodynamische Ansätze leiten zu Konflikten hinter den offensichtlichen, für jeden zugänglichen Konflikten.
Berhard Grimmer hat es 2009 folgendermaßen formuliert: „Im Bereich von Coaching und Organisationsentwicklung interessiert sich der psychodynamisch orientierte Ansatz besonders für „die Verbindung zwischen den rationalen Zwecken und Abläufen in einer Organisation und den unbewussten Prozessen“ (nach Lohmer 2007, S. 229).
Man könnte ergänzen: Das bezieht sich sowohl auf die unbewußten Prozesse in Organisationen wie auch beim einzelnen Mitarbeiter oder Führungskraft.
Dabei wird eine systematische Sichtweise auf die Organisation mit der psychodynamischen Analyse unbewusster emotionaler Vorgänge kombiniert.
Hieran wird deutlich, dass sich psychodynamisches Coaching durch drei wesentliche Faktoren auszeichnet:
- die Arbeit mit der Beziehung zwischen Klient, Unternehmen und Coach
- Affekte und Gefühle werden nicht als störend betrachtet, sondern als Ausgangspunkt für ein tieferes Verständnis des Verhaltens von Mitarbeitern und Führungskräften und für das Verständnis der Prozesse in Organisationen verstanden.
- Einbeziehung des Unbewußten, von Übertragung und Gegenübertragung (s.u.)
Was hat Psychoanalyse mit Coaching zu tun?
Auf der Website des Instituts für Psychodynamische Organisationsentwicklung und Personalmanagement Düsseldorf, POP e.V. heisst es:
„Das POP Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Psychoanalyse und Coaching zusammenzubringen“ (abgerufen 1.11.22).
Was ist damit gemeint?
Während die klassische Psychoanalyse vor allem auf das Individuum fokussiert, greift das psychodynamische Coaching auch wesentlich auf die Erkenntnisse der Gruppenanalyse und die Analyse unbewußter Gruppenprozesse zurück.
Psychodynamisches Coaching hat sich aus der Tradition und mehr als 125 jährigen Geschichte der Psychoanalyse entwickelt.
Dabei hat sich die Psychoanalyse in letzten Jahrzehnten in vieler Hinsicht entscheidend weiterentwickelt und unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund gestellt. Hier seien nur einige, nämlich die Entwicklungspsychologie, die Entwicklung des Selbst, die Persönlichkeitsentwicklung, die Objektbeziehungstheorie und die Mentalisierung genannt (an anderer Stelle mehr).
Die gewonnenen Erkenntnisse dienen dem Verständnis von Verhaltensweisen und Reaktionen von Individuen oder Gruppen (z.B. in Unternehmen). Durch das Verstehen, Bearbeitung der psychischen Mechanismen (wie z.B. von Abwehrprozessen) werden Veränderungen möglich gemacht (an anderer Stelle mehr dazu).
Die gemeinsame Klärung mit dem Klienten dreht sich in der Regel um das Verhältnis zwischen den strukturellen Gegebenheiten der Organisation, in der der Klient arbeitet und seinen eigenen Persönlichkeitsanteilen, denen er nicht entfliehen kann.
Was sind die Unterschiede, was die Gemeinsamkeiten zwischen Psychotherapie und Coaching ?
Die obigen Beschreibungen zeigen schon historische und inhaltliche Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen Psychotherapie und Coaching.
Doch es gibt eindeutige Unterschiede:
Je mehr die Persönlichkeit und die persönlichen, individuellen Konflikte von Mitarbeitern oder Führungskräften im Vordergrund stehen, um so mehr ist eine Psychotherapie angezeigt.
Sie hat die individuellen Ursachen und Hintergründe, auch auf dem Boden der individuellen Lebensgeschichte, im Fokus.
Stehen jedoch die Aspekte des Unternehmens und Konflikte innerhalb der Organisation im Vordergrund, ist eher ein Coaching indiziert.
Das gilt auch für den Fall, in denen individuelle. Verhaltensweisen von Führungskräften für die Abläufe im Unternehmen nicht zielführend sind.
Zusammenfassend kann gesagt werden:
„Coaching findet in einem relativ kurzen Zeitrahmen statt und soll den Coaching Teilnehmer in die Lage versetzen, spezifische Anforderungen an seinem Arbeitsplatz aus eigener Kraft (besser) zu bewältigen.
Psychotherapie dagegen braucht wesentlich mehr Zeit und zielt auf Veränderungen ab, die die ganze Person betreffen- ihre beruflichen und privaten Beziehungen sowie ihr Fühlen und Denken vor dem Hintergrund ihrer gesamten Lebensgeschichte.“ (Grimmer, 2009)
Literatur:
- Grimmer, B., Neukom, M.: Coaching und Psychotherapie. VS Verlag, 2009
- Lohmer, M.: Der Psychoanalytische Ansatz in Coaching und Organisationsberatung. Psychotherapie im Dialog 7,229-233
- Lohmer, M., Möller, H.: Psychoanalyse in Organisationen. Kohlhammer, 2019
- Nagel, C.: Psychodynamic Coaching. Routledge, 2020
- West-Leuer, B., Sies, C.: Coaching, Psychodynamische Beratung. Pfeifer, 2003